Der Vortrag kontextualisiert den Sonderstab Musik, sein Personal und seine Tätigkeiten in der Forschungsgeschichte zum Thema. Im Zentrum steht dabei Herbert Gerigk, der sich als Leiter der Hauptstelle Musik im sogenannten Amt Rosenberg auf vielfältige Weise als führender Musikideologen der NSDAP zu etablieren versuchte. Bekannt sind seine Herausgeberschaften von Zeitschriften, populären Buchreihen und des berüchtigten Lexikon der Juden in der Musik (gem. mit Theophil Stengel) sowie seine mannigfaltigen Begutachtungen von Künstler:innen und Musikwissenschaftlern. Seit seiner Promotion (1929) und Assistenzzeit bei Joseph Müller-Blattau war Gerigk auch musikwissenschaftlich ambitioniert, wobei ihm erst sein politischer Einfluss und die Unterstützung Werner Kortes die Habilitation 1936 an der Universität Münster sicherte.
Weitaus weniger bekannt während des Zweiten Weltkriegs war Gerigks führende Rolle beim Raub von Kunst und Kulturgütern in NS-okkupierten Ländern in West- und Osteuropa. Der von ihm geleitete Sonderstab Musik beim Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg griff dabei intensiv auf die musikwissenschaftliche Expertise u.a. von Wolfgang Boetticher, Karl Gustav Fellerer und Rudolf Gerber zurück.
Obgleich Joseph Wulf (1962) und Fred K. Prieberg (1982) bereits die NS-Karrieren zahlreicher Musikwissenschaftler öffentlich gemacht hatten, sollte es bis zu Publikationen von Pamela Potter und Willem de Vries in den späteren 1990er Jahren dauern, bis das Ausmaß der von Gerigk verantworteten Tätigkeiten des Sonderstabs Musik zu erahnen war, das seither weiter erforscht und diskutiert wird.